Jürg ist seit 12.April 2015 unterwegs auf den Spuren des Jakobs. Er beginnt den Marsch am 13.April 2015 in Sant Jean Pied de Port (F) und wird voraussichtlich am 20. Mai in Santiago de Compostela (E) ankommen.
Bildergallerie
Blog
Verfolget mit mir zusammen seinen Marsch. Unter Beitrag könnt ihr auch Anregungen und Kommentare hinzufügen.
Reisebericht:
Datum | Bilder/Berichte | Bemerkungen | |||||||||||||||||||||
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12.4.2015 |
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Der erste Tag ist nur Reisen. Zuerst mit dem Flugzeug dann mit Zug und Bus. |
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13.4.2015 | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
erster Marchschtag. Mit neuer Frisur fängt alles gut an: Saint Jean Pied de Port nach Roncesvalles. Kloster für die Übernachtung. Folge immer den Schildern. 24.84km, 254 Stockwerke, 39719 Schritte Morgenstund hat Gold im Mund, Tagwache um 6:00. |
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14.4.2015 | ![]() |
wunderschöne Landschaft Irgendwo in den Pyrenäen:Übernachtung in Zubiri Laufpensum war heute 22.23km |
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15.4.2015 | ![]() ![]() ![]() |
am Nachmittag ist Jürg bereits in Pamplona angekommen. Da er nicht müde war, ging er gleich auf eine Stadtbesichtigung. |
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16.4.2015 | ![]() |
alles tut ihm weh. jetzt merkt er doch das alter….. angekommen in Puente de la Reina |
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17.4.2015 | ![]() |
Jürg lief bis nach Estella. Die Füsse tun immer mehr weh…. | |||||||||||||||||||||
18.4.2015 | ![]() |
Die Wanderung bringt ihn nach Los Argos. Hier gibts sogar Gratis Wein, nicht nur Wasser, das gefällt Jürg sicher… |
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19.4.2015 | ![]() ![]() ![]() |
Sonntag und Ruhetag, auch Jürg gönnt sich nun mal eine Erholugspause, sagte er zumindest, aber dann erhielt ich doch wieder Daten, dass er weiter gewandert ist. Trotz Schmerzen. Der nächste Ort ist Viana | |||||||||||||||||||||
20.4.2015 | ![]() ![]() |
Jürg gibt nicht so schnell auf. Die Füsse sind geschunden, aber Jürg gibt nicht so schnell klein bei. Trotz Schmerzen ist er gut in Nafarette angekommen.Mit neuen Schuhen die wenigstens die Blattern an den Zehen nicht drücken geht es weiter… , |
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21.4.2015 | ![]() ![]() |
In Azofra in der Weinregion La Rioja angekommen. mmmmmm guter Wein. Lachen ist die beste Medizin, dann sind die Schmerzen schnell vergessen… |
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22.4.2015 | ![]() |
Und schon ist er in Grañón. Auch in einer Kirche kann man übernachten: | |||||||||||||||||||||
23.4.2015 | ![]() ![]() |
Wo ist Jürg, er macht sich gerne unsichtbar… Hübsche Kirche…Übernachtet habe ich in einer christlichen Herberge und geschlafen nun schon die zweite Nacht nacheinander am Boden nur auf einer dünnen Fitnessmatte. Deshalb tun mir jetzt zusätzlich zu den Füßen auch noch alle Knochen weh… |
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24.4.2015 | ![]() ![]() |
Neuer Record 40km… Ich bin völlig kaputt und liege nur noch wie tot im Hotel herum (ja heute gönne ich mir ausnahmsweise ein Hotel!) |
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25.4.2015 | endlich doch mal ein Ruhetag…. | ||||||||||||||||||||||
26.4.2015 | 2. Ruhetag da es regnet… | ||||||||||||||||||||||
27.4.2015 | Nachdem ich gestern nach der Pause super gestartet bin, haben sich die Blattern nach kurzer Zeit dafür um sicherzugehen wieder zurückgemeldet. Frustriert habe ich mich auf eine Bank gesetzt , die Blattern zum x- Mal aufgeschnitten und war kurz davor aufzugeben. Doch plötzlich ging es wieder weiter und so bin ich durch eine traumhafte, fantastische Gegend doch fast 30 km gelaufen, bis ich in einer niedlichen kleinen Pilgerherberge weit und breit keine Zivilisation in Sicht übernachtet konnte. ![]() ![]() |
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28.4.2015 | Heute Morgen ging es recht früh kurz vor dem Sonnenaufgang wieder weiter. Auch wenn es wunderschön startete so holte mich die Realität nach kurzer Zeit wieder ein. Der starke Regen, dem ich gestern noch knapp entkommen konnte, hat seine Spuren hinterlassen. Irgendwie denke ich dass ich nicht das optimale Schuhwerk anhatte. ![]() Meine Blattern unter den Füßen schmerzten heute nach kurzer Zeit so stark, dass ich bereits nach 15 km aufgeben musste und in kleinen Dorf Castrojeriz übernachtete um meine Füße zu pflegen. ![]() |
Wenn er schon ein Hobbit ist, dann sollte er auch einen Schatz finden. | |||||||||||||||||||||
29.4.2015 | ![]() ![]() |
Nach 21 qualvollen Kilometern musste Jürg doch wieder eine Pause in Boadilla del Camino einlegen.Ich bin in diesem niedlichen kleinen Dörfchen aus ca 4 Häuser, einer überdimensionierten Kirche und 6 Störchen auf dem Kirchturm. | |||||||||||||||||||||
30.4.2015 | ![]() |
So sehen geschundene Füsse aus. Ruhetag für die Füsse | |||||||||||||||||||||
1.5.2015 | ![]() |
Jürg ist bei Regen fast 30km gelaufen… Angekommen in Carrion de los Condes Super weiter so…. | |||||||||||||||||||||
2.5.2015 | Ledigos ist erreicht. Juhui, ich habe bereits mehr als 400km geschafft, also mehr als die Hälfte!Gestern war laut meinem Buch einer der anstrengendsten Etappen: 18km nur geradeaus ohne ein Haus weit und breit (also keine Zwischenverpflegung). Aber das Gute daran ist, man kann den Weg praktisch nicht verfehlen. ![]() |
Fast wie bei Händel und Gretel….. | |||||||||||||||||||||
3.5.2015 | Jürg fuhr von Lediges mit dem Zug nach Leon und wird dort 2 Tage ruhen und seine Füsse pflegen… | ||||||||||||||||||||||
4.5.2015 | ![]() ![]() |
Seine Füsse brauchen dringend wieder eine Erholung. | |||||||||||||||||||||
5.5.2015 | Passend zu meinen überdimensionierten, geschwollenen Hobbit-Füßen sieht es hier wirklich aus wie im Sauerland.Eindrücke von der heutigen Etappe, eine Hochebene auf ca 1000m. ![]() ![]() |
Sauerland? ich glaube er meint Hobbit-Land!!! | |||||||||||||||||||||
6.5.2015 | Da das Wetter und die Landschaft gestern wieder wunderbar waren habe ich es leider wieder ein bisschen übertrieben und diese rächt sich sofort in dem ich jetzt Schmerzen im vorderen Schienenbein habe. Ich hoffe die sind nur dies nur ein Muskelkater, welcher schnell wieder vorbei geht.Gestern hatte ich mir ausnahmsweise mal eine Massage gegönnt. Die Masseurin, welche seit über vier Jahren den Pilgern unter anderem auch die Füße massiert kriegte fast einen Schreck als sie meine Füße sah und sagte dass sie so schlimme Blasen noch nie gesehen habe. Normalerweise habe ein Pilger eine Blatter an Fuß aber nicht über 10 wie ich. Dabei haben meine Füße gestern gar nicht mehr so weh getan. Sie hat mir einen Podologen empfohlen, welchen ich heute mal kurz besuchen werde.![]() Gemeinsames Füssehochlagern mit der lustigen Renée aus Hawaii ![]() |
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7.5.2015 | Ruhetag und Arztbesuch. Die Schmerzen am Schienbeinmuskel sind doch etwas heftiger… In Asturgo musste ich ja einen Tag Pause machen, damit sich meine entzündeten Muskeln erholen konnten. Asturgo ist nicht nur wegen seiner Schokolade bekannt sondern besitzt auch noch ein schönes Schlösschen, welches von Gaudi entworfen wurde. ![]() ![]() |
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8.5.2015 | In einem düsteren Wäldchen waren plötzlich überall Kreuze in einen Hag eingefädelt. Ich ging sicher bereits 10 Minuten an Ihnen vorbei, bis die mir auffielen. Kilometerweit und es wollte kein Ende nehmen.![]() In Rabanal del Camino habe ich dann übernachtet und wurde bereits mit offenen Armen begrüßt. ![]() |
Happy Birthday Jürg Alles gute zu Deinem 51. Geburtstag.Möge die Kraft (Macht) mit dir sein. | |||||||||||||||||||||
9.5.2015 | Heute hab ich mal nicht so viele Kilometer gelaufen da mir erstens die Füße immer noch sehr weh taten, und da ist immer hoch und runter ging (siehe Höhen Profil).![]() ![]() ![]() ![]() |
Heute hab ich mal nicht so viele Kilometer gelaufen da mir erstens die Füße immer noch sehr weh taten, und da ist immer hoch und runter ging (siehe Höhen Profil).Die Landschaft war wunderbar und sehr abwechslungsreich, bereits am frühen Morgen ging es los.Besonders nach dem Regen sind nicht mehr alle Wege unbedingt für meine Sandalen geeignet aber ich habe meine wasserfesten Schuhe bereits nach Hause geschickt. Der Höchste Punkt (mit über 1500 m Höhe) ist gleichzeitig einer der spirituellsten Punkte des ganzen Camino: El Cruz de Ferro. Eine simpler hoher Holzstamm mit einem eisernen Kreuz darauf. Hierhin bringen seit tausenden von Jahren Pilger aus aller Welt Steine mit, meistens als Andenken an Verstorbene. Deshalb ist hier mit der Zeit ein richtiger Berg gewachsen, schon noch eindrücklich. |
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10.5.2015 | Eigentlich wollte ich heute wegen der Schmerzen zuerst den Taxi nehmen, aber die Landschaft war so schön dass ich es trotzdem mal zu Fuß probierte und plötzlich lief es ganz ordentlich.Heute ging es eigentlich den ganzen Tag nur steil bergab, vorbei an wunderschöner Vegetation, darunter viel wilder Lavendel.![]() ![]() ![]() |
Eigentlich wollte ich heute wegen der Schmerzen zuerst den Taxi nehmen, aber die Landschaft war so schön dass ich es trotzdem mal zu Fuß probierte und plötzlich lief es ganz ordentlich.Heute ging es eigentlich den ganzen Tag nur steil bergab, vorbei an wunderschöner Vegetation, darunter viel wilder Lavendel. Natürlich hat es auch originelle Pilgerer. Ich bin jetzt in Ponferrada angekommen. Hier gibt es ein schönes Schloss der Tempelritter. Die Tempelritter waren scheinbar früher unter anderem dafür zuständig die Pilgerer zu beschützen. |
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11.5.2015 | Ein kleiner Ausschnitt aus der Apotheke, welche ich mittlerweilen mit mir herumschleppe.![]() |
RuheTag in Ponferrada | |||||||||||||||||||||
12.5.2015 | In einer Bodega müsste man auf den Weg auch ein Glas Wein (oder zwei) mit alten Bekannten trinken (das ist schließlich eine bekannte Weingegend hier).![]() ![]() ![]() Wer schwer erkrankt oder verletzt die seitliche Pforte der Vergebung durchschritt, dem wurde bereits hier der Ablass auf sein Sündenregister gewährt und er galt als gepilgert. Natürlich war diese Tür, als ich sie durchschreiten wollte geschlossen und so muss ich wohl oder übel bis Santiago de Compostela weiterpilgern und meine Sünden noch eine Weile mit mir herumschleppen. Hier mein privates Zimmer im Kloster ![]() |
Lieber saufen als laufen…. das sind die heutigen Pilger…. |
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13.5.2015 | Juhui, heute bin ich genau seit einem Monat am Wandern. Saint Jean scheint mir so weit und gleichzeitig so nah zu sein. Zur Feier des Tages habe ich nochmals Jim und Marylin aus Amerika getroffen, welchen ich bereits vor genau einem Monat am ersten Tag über den Weg gelaufen bin und deren Wege sich seither getrennt hatten.
Heute Morgen habe ich mein Klosterzimmer frühzeitig verlassen. Da die Bar noch geschlossen war, machte ich mich eben ohne Frühstück auf die Wanderung.
Kurz nach Villafranca musste ich mich entscheiden, ob ich den einfachen Weg an der Autobahn entlang oder den Camino Duro, welcher extrem steil, hart und scheinbar sehr gefährlich und länger über den Berg nehmen soll. Eigentlich ist die Antwort klar: bis jetzt habe ich mich immer für den schöneren aber längeren Weg entschieden. Soll nochmals jemand sagen, ich wähle immer den einfachsten Weg…
Kerkeling hat den Weg als mörderisch und halsbrecherisch beschrieben und ist bereits nach den ersten 100m wieder umgekehrt. Alle Pilger welche ich sehe, wählen ebenfalls den einfacheren Weg, die haben wohl alle Kerkelings Buch gelesen. Alles Weicheier! Und ich Idiot wähle trotz entzündeten Blattern an den Füßen, trotz Tendinitis, trotzdem das ich nur Sandalen trage und noch gar kein Frühstück gegessen habe, den halsbrecherischen Weg.
Bereits am Anfang geht’s beinahe senkrecht bergauf. Aus einem Fenster lächelt mir eine sympathische, ältere zahnlose Frau entgegen und grüßt mich ganz herzlich. Sie ermahnt mich, den Weg langsam zu gehen und wünscht mir viel Glück, das die übliche „Buen Camino“ und wirft mir noch als Bonus liebevoll einen dicken Kuss durch die Luft zu.
Lesson learned: Man kann sehr gut nur von Luft und Liebe leben (wenigstens eine kurze Zeit!)
Und so schleppte ich meine halbe Apotheke und einen ganzen Schuhladen über den Berg.
Viele Pilgerer reisen übrigens heutzutage ohne Rucksack und lassen sich das Gepäck mit einem Spezial-Lieferservice ins nächste Hotel schicken. Da ich aber nie bereits morgens schon weiß, wohin mich der Weg heute bringen wird und schon gar nicht in welches Hotel, schleppe ich das Gepäck halt mit mir herum. Unterdessen fällt es mir kaum mehr auf. Es ist mir bereits schon so ans Herz gewachsen, dass ich das Gefühl habe, dass mir was fehlt, wenn ich Abends ohne Gepäck noch was Essen gehe.
Auf dem gesamten wunderbaren Weg war ich ganz allein und konnte die Ruhe, die zwitschernden Vögel, die Blütenpracht und die einmalige Aussicht in Frieden genießen. Weit unter mir konnte ich zeitweise die staubige Autobahn erblicken und musste an die armen anderen Pilger denken, die den einfacheren Weg entlang dieser Autobahn gewählt haben und gar nicht wussten, was sie dabei alles verpasst haben.
Der einfachere Weg ist eben nicht immer der Beste.
![]() ![]() Morgen wird es noch einmal recht happig: dann geht’s von den heute 600m steil hinauf in die Berge bis ca 1400m. Morgen werde ich Kastilien verlassen und in Galicien, der letzten spanischen Region auf dem Camino ankommen. |
Camino Duro | |||||||||||||||||||||
14.5.2015 |
Nach einem feinen Frühstück mit frischem Brot in der Bäckerei habe ich mich gemütlich auf den Weg gemacht den nächsten Berg zu erklimmen. Kurz vor dem Ziel Santiago haben Sie hier extra noch ein paar Hindernisse, Berge, Stolpersteine und Unwetter wie Kälte und Regen eingebaut, um die Flut an Pilgern zu dezimieren.
Mit jedem Meter, welchen ich erkämpfe, wird der Wind stärker, der Regen heftiger und die Temperatur eisiger und ich hatte schon Angst, dass ich in der Hitze dahinschmelzen muss. Nach über 700 Höhenmeter (oder 133 Stockwerken wie mein iPhone gerade meldete) erreichte ich endlich das niedliche, ganz friedliche fotogene galizische Dörfchen O Cebreiro welches die deutschen Pilgerer hier netterweise nur „Oh! Krepiero“ wegen dem steilen Aufstieg nennen
Nach einem ausgezeichneten Pilgermenu zur Abwechslung mal mit galizischen Spezialitäten und natürlich den omnipräsenten, schwammigen, vor Öl triefenden Pommes-Frites (man sollte den Spaniern endlich ein für allemal die Lizenz zum Pommes-Frites machen entziehen, denn diese vollgesogenen, gelben Kartoffelstäbchen, welche es hier immer und überall gibt, haben den Namen wirklich nicht verdient). Egal, nach dem Mittagessen mit einer Flasche Wein machte ich mich noch auf den Weg zum höchsten Punkt in der Gegend: einem Holzkreuz, in dessen Ritzen die Pilgerer Münzen stopfen und es so zusätzlich hübsch verzierten (das Kreuz ist übrigens unterdessen um einen Schweizer Franken reicher und hübscher verziert).
Also machte ich noch eine kleine Ehrenrunde von über 20 Stockwerken auf die Bergspitze.
Der Weg und die Aussicht dahin waren einfach überwältigend! Der Himmel hatte sich unterdessen aufgerissenen und zeigte die Landschaft von ihrer sonnigsten Seite. Dieser Umweg ist ein absolutes Muss und gehört in jeden Führer. In meinem stand wie in den meisten anderen leider kein Wort davon geschrieben und so genoss ich das umwerfende Panorama ganz alleine.
Unendlich weit konnte ich den wunderbaren Weg zurückverfolgen, welchen ich bis heute zurückgelegt hatte. Trotz teilweise fast unerträglichen Schmerzen bereue ich keinen einzigen Schritt davon. Auf der anderen Seite konnte ich erahnen, welcher wundervolle Weg noch vor mir lag (sorry Peter, ich weiß das ist von Dir geklaut, aber so schön und wirklich passend, das muss man einfach erlebt haben)!
Es war so wunderschön dass mir spontan die Tränen in die Augen schossen und diese freudig und überwältigt einfach überquollten vor Dankbarkeit. Ich hab es ja gelesen: einmal hat der Weg jeden so weit, dass er einfach nur noch weint, aber doch nicht ich schon wieder!
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15.5.2015 |
Heute musste ich mich leider wieder aus dem über 1300 Meter hohen, zuckersüßen Dörfchen von Asterix und Obelix verabschieden.
Die Nacht war grausam. Ein eiskalter, feuchter Wind hat die ganze Nacht durch die Steinhäuser geheult, an den morschen Fensterläden gerüttelt und durch die undichten Fenster gepfiffen.
Nach dem Zwiebelprinzip machte ich mich frühmorgens für den eiskalten Abstieg bereit und zog praktisch alle Kleider, welche ich dabei hatte übereinander an. Selbst mein zweites Paar Socken stülpte ich als Handschuhersatz über meine klommen Finger. Nur meine offenen Sandalen wollten irgendwie nicht so recht ins Bild des sonst perfekt ausgerüsteten Eiskletterers passen.
![]() ![]() Ich zog die Kapuze meiner Fliessjacke tief über meinen kahlen Kopf. Trotz der warmen Kleidung lief es mir sofort eiskalt den Rücken runter, als ich beschämt daran denken musste, dass ich genau deswegen und wegen meines unterdessen dunklen Teints auf der anderen Seite des Atlantiks von unterbelichteten, hirnamputierten, rassistischen Hütern des Gesetzes ohne Konsequenzen auf offener Straße einfach so abgeknallt werden könnte. Schockierend!
![]() Lesson learned:
Null Toleranz gegen intolerante Leute! Gerade vorhin habe ich noch die aufgestellte, junge, etwas übergewichtige Karoline aus Deutschland getroffen. Freudig sind wir uns in die Arme gefallen Ich hätte nicht erwartet, sie bereits hier wieder anzutreffen. „Hallo Karoliiiinee“ begrüßte ich sie herzlich mit spezieller Betonung auf der Endung des Vornamens. „Karo“ wurde sie nur genannt, wenn sie wieder mal was angestellt hatte.
Und dieses mal hat sie wirklich alles richtig gemacht. Ich war richtig stolz auf sie, dass sie die Berge geschafft hatte, auch wenn sie zugab, dass ein Bus von Zeit zu Zeit ihr dabei behilflich war. Sie erzählte mir dann auch wie anstrengend es für sie gewesen war und dass sie, die als Attraktion im Guide beschriebenen, links und rechts am steilen Weg liegengebliebenen und nach Luft japsenden übergewichtigen Pilgerer vermisst hätte, bis sie realisiert hatte, dass sie selber ja die röchelnde Attraktion war. Hut ab, sie hat es geschafft! Wenig später treffen wir dann auch noch auf Carmen, welche in unserem Guide als zahnlose, aufdringliche Crêpes-Verkäuferin beschrieben wird, welche uns, oh Wunder, zahnlos dafür umso aufdringlicher ihre selbstgemachten Crêpes andrehen wollte.
![]() Zum Glück ist Caroline dabei, welche bei diesem Charme natürlich nicht nein sagen kann und so komme ich nochmals Heil davon. Carmen gilt auf dem Weg schon fast als eine Kultfigur und ich Trottel hab nicht mal ein Foto mit ihr gemacht! Vonwegen Carmen: irgendwie habe ich das Gefühl, dass Leute überholen ein schlechtes Karma gibt. Beim Camino ist es wie beim Leiterlispiel. Wenn man zu siegessicher und zu schnell unterwegs ist, passiert sicher irgendein dummes Missgeschick und man muss drei Runden aussitzen.
Fazit: Langsam kommt man schneller ins Ziel!
Und je Gemütlicher umso gesünder.
Verbissenheit ist hier fehl am Platz!
Wir haben uns dann noch über Buddhismus und vor allem darüber unterhalten, wann man denken, wann handeln und wann man genießen soll. Fazit: Drop the Thought!
Karoline hat es heute richtig gesagt: sie läuft jetzt ganz langsam, denn sie will noch lange nicht in Santiago ankommen, denn dann wäre der Weg ja bereits fertig! Da mir das dann doch ein bisschen zu langsam war, haben wir uns mit einem herzlichen Drücken voneinander verabschiedet. ![]() |
Heute gibts viel zu lesen, unser kleiner Philosoph…. | |||||||||||||||||||||
16.5.2015 | Habe gerade mit einer kleinen Spanierin gesprochen, welche außer ihrer Muttersprache keine andere Sprache spricht. Die hat sich beklagt, dass sie sich wie eine Ausländerin im eigenen Land vorkommt, da die Sprache der internationalen Pilgerer auf dem Weg meistens Englisch ist
Fazit: Wir alle sind fast überall Ausländer.
Die Landschaft ist herrlich hier. Überall harmonische sanfte, grüne Hügel, saftige und satte Wiesen, fette grasende Kühe und der dazu passende Geruch von Landwirtschaft. Eigentlich sieht es genau aus wie im Zürcher Oberland. Nur die Steinhäuser erinnern mich eher an das Tessin. Zwischendurch führt der Weg durch dunkle schattige Wälder welche dicht bewachsen sind mir uralten dicken und knorrigen Bäumen. ![]() ![]() Heute habe ich mir gesagt, dass ich in der erst besten Herberge übernachte, nach 25 Kilometern. Doch dann wollte einfach kein Hotel mehr kommen. Zuvor hatten nur so davon gewimmelt und jetzt wenn man eines braucht, kommt keines mehr. Kilometer um Kilometer wandere ich weiter und obwohl die Gegend wirklich wunderschön ist, melden sich langsam meine schmerzenden Füße zurück. Nach 30 Kilometer endlich eine Herberge, aber Schreck lass nach: Total ausgebucht.
Also trinke ich noch einen frischen Orangensaft zur Stärkung und wandere weiter. Unterdessen merke ich, dass ich die 100 Kilometer Marke bis Santiago überschritten habe.
Als echter Pilgerer gilt, wer die letzten 100 Kilometer zu Fuß gepilgert ist. Von jetzt gilt es also ernst. Bis jetzt waren die 700 Kilometer ja eigentlich nur zum Spaß, sozusagen eine kleine Aufwärmübung, oder ein lästiges Vorgeplenkel. Von jetzt an muss ich in meinem Pilgerausweis täglich 2 Stempel bis Santiago vorweisen. Aber das ist jetzt nebensächlich. Zurück zu meiner verzweifelten Suche nach einer Schlafgelegenheit:
![]() Er öffnet den Zigarettenautomaten und starrt lange hinein und sagt schlussendlich „Tengo solo Marlborrow, no tengo Camel!“
Zum Glück kommt gerade noch bevor ich mit einer hysterischen Panikattacke zusammenbreche eine nette junge Spanierin aus der Küche und sagt, klar gäbe es hier noch freie Betten.
Die Nacht ist gerettet!
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17.5.2015 |
Bin heute Morgen das erste mal kurz nach fünf Uhr durch raschelnde Plastiktüten, laut flüsternde Stimmen und nervös durch die Dunkelheit zuckende Stirnlampen aufgewacht. Die Strahlen der Stirnlampen fuchtelten und funkelten wild durch die Nacht als wollten sie die Dunkelheit in kleine Stücke schneiden. Ab und zu kreuzten sich ihre Stahlen so als wollten sie sich Star-Wars mäßig duellieren. Sie zauberten gespenstische Schatten an die Wände und ließen keine noch so versteckte Ecke unterbelichtet. Jede Diskothek würde eindeutig neidisch auf diese phantastische Lightshow. „Schaltet doch einfach das verdammte Licht ein!“, war ich Nahe daran zu Schreien, aber dann wären mindesten 12 Lichtkegel auf mir kleben geblieben und diese Aufmerksamkeit musste ich momentan nicht unbedingt haben.
Hier scheint eindeutig Panik ausgebrochen zu sein und ich muss irgendeinen wichtigen Evakuationsalarm verpasst haben, dachte ich mir und schlief beruhigt wieder weiter. Als ich mich um sieben Uhr das zweite Mal umdrehte, war der bis vor kurzem proppenvolle Schlafsaal einsam und verwaist.
Da wurde mir bewusst: das sind die letzten 100 Kilometer. Der Spass ist vorbei, ab jetzt wird wieder verbissen und mit allen Mitteln gekämpft.
Ich bin mir sicher, dass die Betten in den letzten Kilometern bewusst knapp gehalten werden, um die Menschen gegeneinander aufzuhetzen und wieder fit für die Wirtschaft zu machen. Der Traum von Güte und Hilfsbereitschaft wird hier zu Ende geträumt und hat in der harten Realität absolut keinen Platz. Wo kämen wir denn hin, wenn sich die Menschen gegenseitig helfen würden, anstatt sich bis aufs Blut zu bekämpfen? Wo wären wir heute, wenn es keine zerstörende Konkurrenz gäbe und die Menschen gemeinsam am gleichen Strick ziehen würden?
Zum Glück gibt es unsere SVP, welche diese Schreckensszenarien bereits seit langem durchschaut hat und es geschickt versteht moralische Begriffe wie „nett“ und „Gutmenschen“ zu Recht zu verteufeln.
Ebenso wagt sich ein vernünftig denkender Mensch mehr Worte wie Solidarität und Kommunismus zu verwenden. Diese wurden geschickt mit tausenden von negativen Assoziationen überhäuft, so dass Todesstrafe dagegen schon fast wie ein Kosewort tönt.
Wo kämen wir hin, wenn die Wirtschaft wirklich geplant werden würde? Das würde ja bedeuten, dass der blinden Habgier plötzlich ein Riegel vorgeschoben werden könnte und die Güter zukünftig nachhaltiger und umweltfreundlicher erzeugt werden würden. Es würde weiter bedeuten, dass die Ressourcen wie Arbeit und Konsumgüter gerechter verteilt werden könnten, dass nicht mehr Tausende Menschen täglich verhungern müssten, dass man die echten Probleme der Menschheit endlich gemeinsam angehen könnte und dass Chancengleichheit und selbst Ergebnissgleichheit plötzlich keine Utopien mehr sein müssten.
![]() Habt ihr schon mal daran gedacht, dass es immer die hochqualifizierte , überbezahlten, bestens ausgebildeten Manager waren, welche bedeutende Firmen an die Wand fuhren oder in den Sand setzten und damit teilweise tausende Arbeiter in den Ruin trieben? Und glaubt mir: früher oder später trifft es jede Firma!
Denn nur diese Manager besitzen das Wissen und die Skrupellosigkeit eine Firma bis auf den letzten Tropfen auszusaugen.
Das waren nie die unterbezahlten unqualifizierte Anfänger, dazu braucht es schon Erfahrung und die muss eben teuer bezahlt werden.
Fazit: der Mensch wäre eigentlich lieber gut, wird aber durch negative Umweltbedingugen schnell zur Bestie!
Glaubt irgend jemand im Ernst, dass 99% der Menschen, welche zu einem Hungerlohn um ihr Überleben kämpfen müssen einfach nur zu blöd oder zu faul sind um sich im Kapitalismus durchzusetzen und nichts in der Gesellschaft leisten und deshalb auch nicht mehr wert sind? Könnte es nicht auch sein, dass die 1%, welche fast alles besitzen und über alles bestimmen den Rest kaltblütig bewusst oder unbewusst ausbeutet und so der Gesellschaft enormen Schaden zufügen?
Wer ist der größere Wirtschaftsflüchtling? Der Afrikaner, welcher, um seine Familie zu ernähren, auf seiner Flucht mehrfach sein eigenes Leben riskiert um ein Land zu erreichen, in welchem er seine Familie vor dem Hungertod retten kann oder der vielfache Milliardär, welcher nur um ein paar Millionen Steuern zu sparen, sein Land und seine Angestellten verrät und in ein anderes Land zieht? Wer schadet der Menschheit mehr?
Das Schöne am Camino ist, dass man sich mit den anderen Pilgern hier sehr verbunden fühlt. Man kommt sofort in wertvolle, tiefgreifende Gespräche ohne aufdringlich zu sein. Niemand will besser sein als der andere. Hautfarbe, Nationalität, Reichtum, Alter und Religion spielen keine Rolle. Alle schlafen im gleichen Schlafsaal. Die meisten haben irgendwelche Probleme und man versucht sich gegenseitig zu helfen. Ich frage mich, wann ich das letzte Mal gefühlt habe, wie es ist, Teil einer Gemeinschaft zu sein, sich einfach nur mit den Menschen verbunden zu fühlen, sich gegenseitig zu respektieren und zu helfen. Nicht besser sein zu wollen, einfach nur Mensch zu sein!
Außerhalb des Camino passiert leider genau das Gegenteil: Grenzen werden errichtet, jeder will oder muss besser als der andere sein. Man gruppiert sich nach Alter, Religion, Bildung und Fußballclub. Man errichtet Mauern, zieht Zäune und will sich abgrenzen.
Dabei kann Mauern einreißen enorm befreiend sein. Grenzen sollten abgebaut werden, nicht umsonst heißt es „grenzenlos glücklich“. Alles was trennt sollte minimiert und alles was verbindet verstärkt werden. Der Mensch braucht keine sinnlosen Statussymbole, Titel welche ihn von anderen abheben, Religionen, welche sich gegenseitig umbringen wollen und kein übersteigertes Nationalgefühl um glücklich zu sein.
So in einem enorm befreienden, spontanen und unwiderstehlichen Anfall an Euphorie packte ich also mein goldenes iPhone und warf es die steile Felswand hinunter, dass es nur so erfrischend klirrte und danach riss ich mir sämtliche Markenkleider vom Leib (da ich an meinen Luxuskörper prinzipiell nur Markenkleider lasse, waren das in Wirklichkeit sämtliche Kleider!). Im schlichten, überraschend leichten und luftigen und dennoch zeitlos eleganten Adamskostüm machte ich mich dann wieder auf den Camino. Habt ihr gewusst wie wasserfest, atmungsaktiv und extrem schnell trocknend dieses „Kleidungsstück“ in Wirklichkeit ist?
Ich muss Euch leider enttäuschen, da ich dieses Tagebuch mit dem iPhone schreibe und es hier nicht abrupt endet, bedeutet wohl, dass ich zu feige war, das iPhone wirklich fortzuwerfen. Und ob das das mit den Kleidern wirklich stimmt, werdet ihr wohl, außer aus der einschlägigen Klatschpresse, nie erfahren.
Die Sonne brannte heute wieder einmal gnadenlos vom Himmel und linear zu der stetig steigenden Hitze wurde auch die Distanz zwischen den Raststätten immer größer. Ich hatte mich gerade unter einen großen, schattigen Baum gesetzt als eine aufgeregte amerikanische Touristin auf mich zustürmte. Sie fragte mich, wo die nächste Bar sei und erzählte mir, dass heute ihr erster Pilgertag wäre und sie am verdursten sei. Ich bot ihr von meinem Wasser an und so füllte sie ihre immer noch halb volle Flasche bis an den Rand und ließ mir edlerweise auch noch zwei Tröpfchen in der Flasche übrig. Irgendwie hatte sie ein Schweinegesicht, so mit einem kleinen frechen Schnörchen, von der Sonne gerötete pinke Hautfarbe und ich bin mir fast sicher ein leichtes Grunzen gehört zu haben, als sie lachte. Ich meine das natürlich gar nicht abschätzig oder gar bösartig, sondern sehr respektvoll und denke hier an ein niedliches Schweinchen wie Babe oder noch besser an die hübsche und charmante Miss Piggy. Sie erzählte mir prahlerisch von ihrem Luxus Hotel mit riesigem Swimmingpool, in welchem sie heute übernachtet hatte und dass die Landschaft am Wegrand sich immer wieder geändert hat. Ich erwiderte ihr, dass sich nicht nur der Weg verändert, sondern dass der Weg auch die Leute selbst verändert. Daran anschließend wollte ich noch die mystisch theatralische Geste mit den Armen machen, welche ich von David gelernt hatte und dazu mit tiefer, bedeutungsschwangeren Stimme „El Camino“ sagen. Doch ich unterdrückte dieses Bedürfnis im letzten Moment, denn das wäre für den überforderten und ausgetrockneten Frischling momentan eindeutig zuviel gewesen.
Ohne mir für das Wasser noch für die wertvollen Weisheiten zu danken, machte sie sich weiter auf die ausgetrocknete und staubige Piste.
Ich hoffe für sie und vor allem für Ihr Umfeld, dass der Weg irgendetwas in ihr verändert.
Bin jetzt in einem kleinen, hübschen Dörfchen mit dem Namen El Gonso (oder so ähnlich) angekommen und hier werde ich mich für heute niederlassen.
Nach „Herr der Ringe“, „Asterix und Obelix“ bin ich nun endlich in der Muppet Show gelandet. Das kann ja heiter werden.
Fazit: Nicht nur der Weg verändert sich, sondern er verändert auch Dich.
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Sorry meine lieben Blockleser. Ich glaube Jürg hat einen Sonnenstich eingefangen bei seiner grossen Wanderung. Theatralisch, Dramatisch und Philosophisch gibt er immer mehr zu seinem besten…. Hopp Schwiiz, bring die letzten Kilometer noch unter Dach und Fach. |
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18.5.2015 | Heute Morgen war es sehr neblig und noch viel benebelter wanderte ich zuerst in die falsche Richtung. Danach irrte ich noch mutterseelenallein stundenlang zielstrebig im dichten Nebel umher.
![]() Gestern Abend habe ich wieder einmal eine neue Blatter an meinen Füssen entdeckt. Es ist unglaublich, dass es immer noch Stellen an meinen Füßen gibt, an denen es noch neue Blasen bilden können.
Ich bin aber sehr stolz auf mich, denn unterdessen kann ich das Wort Blattern in etwa 15 Sprachen sagen und ich kann in etwa 21 Sprachen bereits vor Schmerz stöhnen!
Ebenfalls stolz auf mich war ich als ich vier Mädels aus Rio de Janeiro überholte und ihnen freundlich „Bom dia, tudo bem?“ zugerufen habe. Da haben sie mich doch tatsächlich gefragt, ob ich auch Brasilianer bin. Das glaubt mir Genilson nie im Leben!
Diverse Leute haben mich bereits gefragt, ob ich ein Märtyrer oder ein Masochist sei, das ich mir das Ganze hier antue. Ganz im Gegenteil: ich bin ein Genießer und ein Realist und weiß dass das Leben nicht immer nur ein Zuckerschlecken ist. Wirklich genießen kann man nur nach Entbehrungen.
Wie ich gerade auf einem Schild gelesen habe:
„No pain, no gain!“ wie wir Amerikaner sagen oder
„Hunger ist der beste Koch!“ wie wir Deutschen sagen (huch ich habe meine Identität verloren. Hurra! Endlich bin ich nur noch Mensch!
Und überhaupt, ich kann es gar nicht genug wiederholen: El Camino ist einfach ein wunderbares Erlebnis!
Gestern habe ich mich beim Nachtessen noch lange mit einem gläubigen Italiener über Religion unterhalten. Er glaubt nicht daran, dass der Mensch ohne Gott gut sein kann. Ich denke, dass was die religiösen Personen zuviel an Gott vertrauen, sollten sie viel eher in ihre Mitmenschen investieren, ihnen mehr Vertrauen schenken und an das Gute im Menschen glauben. Nicht über den Umweg von Gott und weil er dir damit das Paradies verspricht. Das geht alles viel einfacher: direkt von Mensch zu Mensch und ich garantiere Dir dafür das Paradies schon auf Erden!
Das schönste Geschenk, das es gibt, ist das Lächeln eines Menschen, wenn man ihm helfen konnte.
Ethische Werte müssen aus innerer Überzeugung kommen und nicht weil Dir irgend jemand mit der Hölle droht.
Fazit:Echte ethische Werte brauchen keine Religion!
Wenn man an das Gute im Menschen glaubt, wird man das Gute im Menschen sehen und vor allem guten Menschen begegnen. Wenn man aber an das Schlechte im Menschen glaubt, sowie es einem die Kirche mit der Erbsünde eintrichtern will, so wird mann leider auch vor allem schlechte Menschen sehen. Das geht alles unter gefilterte Wahrnehmung.
Fazit:Glaube an das Gute im Menschen und du wirst guten Menschen begegnen.
Bin heute mit einem sympathischen älteren Italiener ein Stück gewandert und wir haben uns über den Weg und das Leben unterhalten, als er plötzlich in Tränen ausbricht. Ihm ist das überhaupt nicht recht und er entschuldigt sich, während ihm die Tränen nur so über die Wangen laufen und erklärt mir schließlich mit schluchzender Stimme, dass er den Weg auch für seinen Sohn macht, welcher ihm kürzlich mit erst 23 Jahren gestorben ist. Der Weg ist hart, genauso wie das Leben. Aber auch wunderschön, genauso wie das Leben.
![]() So fühlte ich mich wie ein dreißigjähriger Brasilianer für den Rest dieses wundervollen Tages.
Anstatt, dass die kurz vor dem Ziel speziell eingebauten Hindernisse die Anzahl der Pilger reduzierten, scheinen sich die Pilger wie die Ratten zu vermehren, je näher man an Santiago de Compostela rückt.
Der Grund dafür ist, dass viele neue Pilger nur die letzten 100 Kilometer nach Santiago laufen wollen, ohne vorher zuerst 700 Kilometer, wie ich, Trockenübungen zu machen.
Ich habe mal gelesen, dass wer die letzten 100 Kilometer nach Santiago gepilgert ist, dem werden sämtliche Sünden vergeben.
Ist die katholische Kirche nicht fantastisch?
Das muss ich doch unbedingt so kurz vor dem Ziel noch ein bisschen genießen.
Unterdessen kann ich die SVP wirklich sehr gut verstehen: Lügen macht wirklich unglaublich Spaß, vor allem wenn man weiß, dass einem demnächst alle Sünden vergeben werden! Dies ist, wie wenn man sich vor einer Fettabsaugung nochmals so richtig den Bauch vollschlagen kann.
So genieße ich es die ganze Zeit, wie gedruckt und bis dass die Balken sich biegen, zu lügen.
Hier ein paar meiner Lieblingslügen:
So behaupte ich steiff und fest, dass man nur richtig gepilgert ist, wenn man viele Blasen an den Füßen hat, so nach dem Motto „no Pain, no Gain!“.
Oder ich versichere den Leuten, dass Santiago de Compostella gerade hinter dem nächsten Hügel liegt und dies bereits seit Saint Jean Pied de Port. Die armen Pilgerer, welche noch über 800 Kilometer steinige und staubige Straßen vor sich haben, haben ein bisschen positive Aufmunterung wahrlich verdient.
Oder ich sage „der Kluge fährt im Zuge“ wenn ich strammen Schrittes frisch fröhlich pfeifend an übergewichtigen, stöhnenden Deutschen vorbeimarschiere (ok, den habe ich von Thomas geklaut).
Oder wenn mich jemand fragt wer ich sei, sage ich mein Name sei Ruco Urco und ich sei ein berühmter Medizinmann aus Peru. Unterdessen sehe ich mit dem langen grauen Bart und der sonnengegerbten Haut auch genauso aus, rede fast so gut Spanisch und fühle mich auch genauso.
Oder dass ich alle enterben werde, welche sich nicht für die Erbschaftssteuer einsetzen.
Oder ich behaupte das Bankgeheimnisses sei für den Schutz des ehrlichen Steuerzahlers (Halt, das ist ja eine der Lügen der FDP! Ich will mich hier nicht mit falschen Federn schmücken. Lob, wem Lob gebührt!)
Ich liebe das Lügen, oder war etwa dies alles bereits gelogen?
Heute bin ich nach 8 Stunden auf den Füßen oder 30 Kilometern wandern in einem niedlichen kleinen Städtchen namens Melide, welches sich in Galizien und nicht wie zu erwarten im Tessin befindet, gestrandet.
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Bereits in Melide, in der Schweiz??? Auch nach 30 km ist er nicht müde und kann immer noch so viel niederschreiben…. Und wir müssen das alles lesen. | |||||||||||||||||||||
19.5.2015 | Obwohl ich heute erst nach acht Uhr losgelaufen bin, war ich umzingelt von dutzenden Pilgern, welche wohl genau die gleiche Idee gehabt haben. Das war also jetzt die berühmt berüchtigte Pilgerautobahn in welcher man dicht aufeinander gedrängt langsam auf Santiago de Compostela zu geschupst wird.![]() Von einem Franzosen habe ich heute erfahren, dass der Camino Norte, welcher an der nördlichen Küste Spaniens ebenfalls nach Santiago führt und der Camino Frances, welchen ich gewählt habe, seit Melide zusammengetroffen sind.
Schon bald verflüchtigten sich die Menschenmassen und ich war wieder ganz alleine unterwegs. Einsam ging die Reise weiter durch hohe Eukalyptuswälder,
![]() Nach 27.5 Kilometern oder 7 Stunden Wanderung habe ich in einer kleinen Herberge in der Nähe von Salceda zum Glück gerade noch eines der letzten Betten erwischt.
Nur noch etwa 29 Kilometer bis Santiago de Compostela. Morgen sollte ich dort ankommen. Ich kann es kaum glauben. Aber Hotel ist bereits gebucht ?
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Angekommen in Salceda. Ein grosser Weg ist bereits hinter dir, nur noch ein kleines Stück vor dir. Wir alle freuen uns mit Dir. |
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20.5.2015 | Benötige unbedingt Ferien! Viel zu kaputt um viel zu schreiben. Aber es war schön!Hier noch Bilder vom Monte do Gozo, welcher „Berg der Freude“ übersetzt heiß und bezieht sich auf das große Glücksgefühl, das die Pilger erfüllte, als sie nach all den Strapazen endlich das ersehnte Pilgerziel Santiago de Compostela vor sich sahen. ![]() Erste Eindrücke aus Santiago ![]() ![]() ![]() ![]() |
Herzliche Glückwünsche du hast das Ziel erreicht.Sowenig gab’s schon lange nciht mehr zu lesen….. | |||||||||||||||||||||
21.5.2015 | Besichtigung von Santiago de Compostela | ||||||||||||||||||||||
22.5.2015 | Reise nach Vigo | ||||||||||||||||||||||
23.5.2015 | Hurra geschafft!
Nach circa 800 Kilometern zu Fuß bin ich endlich in Santiago de Compostela angekommen.
Eigentlich schade, denn damit ist das große Abenteuer ja eigentlich schon vorbei. Dafür breitet sich jetzt eine noch größere Leere vor mir aus. Was mache ich morgen und übermorgen? Jetzt muss alles wieder geplant und in einen dicht gedrängten Terminkalender verpackt werden.
Aber eigentlich ist das ganze Leben ja eine fantastische Reise und ein wunderschönes Abenteuer, welches nur darauf wartet gelebt zu werden.
El Camino war einfach fantastisch, wunderbar und sicher eine der besten Methoden mal abzuschalten, frische Luft und Energie zu tanken und sich über seine Zukunft und sein Leben Gedanken zu machen.
Für mich ist El Camino wie konzentriertes, pures Leben! Ich habe mich selten so lebendig gefühlt. Gute Freunde kommen und gehen, ich konnte teilweise schreien vor Verzweiflung, vor Schmerz aber vor allem auch vor Freude und Glück und dies alles innerhalb nur einer Stunde! Manchmal fühlte ich mich nicht zu stoppen und hüpfte wie ein junges Rehlein nur um kurze Zeit später wie ein alter gebrechlicher Mann kaum mehr gehen zu können. Man hat und man überschreitet gewaltige Höhen aber auch unvermeidbare Tiefen.
Ganz ehrlich: auf der Reise war ich mindestens 10 mal sooo kurz davor aufzugeben und ein bis zwei mal war ich mir nicht sicher, ob ich den nächsten Tag überhaupt erleben werde (Dramaqueen!). Aber plötzlich gingen die Schmerzen wieder vorbei, irgendjemand erschien wie aus dem Nichts und munterte einen wieder auf oder die Regenwolken vertrieben sich und machten einer strahlenden Sonne platz. Auf jeden Fall ging es immer plötzlich wieder weiter.
Auf der Reise hatte ich die Gelegenheit mich selber besser kennenzulernen, mit meinen Stärken und Schwächen konfrontiert zu werden und näher zu mir selber zu finden. Selbstfindung bedeutet für mich, seine eigenen ursprünglichen Gefühle wieder zu entdecken und dafür geradezustehen, das Vertrauen in das Gute der Menschen wieder zu finden, welches durch die Konkurrenz der Leistungsgesellschaft fast zerstört wurde und auf seine eigene Intuition und sein Bauchgefühl hören zu können, seine ureigenen Bedürfnisse wieder zu entdecken, welche tief unter dem Morast vergraben waren, welcher täglich von Werbung, Konsum und Leistungsdenken über uns ausgeschüttet wird. Ebenfalls konnte ich meine eigenen Träume wiederfinden und das sogar in Farbe und High Definition!
Ich hatte das Vergnügen viele fantastische, gutherzige, lustige, überwältigende Menschen jeglicher Nationalität von sehr jung bis uralt mit interessanten und bewegenden Geschichten zu treffen und von Ihnen zu lernen.
Auf der anderen Seite durchquerte ich wunderschöne, malerische Landschaften, idyllische kleine Dörfchen, große berühmte mittelalterliche Städte, dunkle tiefe Wälder, reißende Flüsse und mächtige majestätische Berge.
Wenn das nicht die paar ollen Blattern Wert war, was dann?
Der Weg setzt sich für mich vor allem aus den folgenden Zutaten zusammen: Stille, Einsamkeit, Bescheidenheit, Genügsamkeit aber auch ganz viel Freiheit, Frieden und Vertrauen.
Vielen Dank an Alle, welche an mich gedacht und an mich geglaubt haben, mit mir mitgefiebert haben, mit mir telefoniert, mir nette aufmunternde SMS geschickt, geWhatsApped, geFaceBooked, gemailed oder nette Worte in diesen Blog geschrieben haben. Einen ganz speziellen Dank natürlich auch an Marcel der diesen schönen Blog überhaupt erstellt hat und die viele Arbeit dahinter investiert hat.
Ich fühle mich fast schon wie bei der Oskarverleihung mit dieser Dankesrede und natürlich bin ich auch ein bisschen stolz auf mich, dabei habe ich ja nichts anderes gemacht als jeden Tag das Gleiche: einen Fuß vor den anderen gesetzt. Und doch passiert damit etwas Unglaubliches: nicht nur das man plötzlich quer durch Spanien gewandert ist, es passiert vieles in einem selber. Mit kleinen Schritten kann sehr viel erreicht werden. Jede noch so große Reise jeder noch so steile Berg, jede gewaltige Veränderung hat immer mit einem kleinen Schritt begonnen. Klar braucht alles seine Zeit, Doch wie ein berühmter Mann mal gesagt hat: Zeit, welche wir uns nehmen ist Zeit, welche uns was gibt!
Zum Abschluss noch ein paar wunderschöne Zitate, welche ich auf dem Weg gesehen oder gelernt habe oder mich auf dem Weg begleitet haben:
Chancen präsentieren sich uns mit Vorliebe in der Maske von Unannehmlichkeiten.
Genieße den Augenblick, denn der Augenblick ist dein Leben.
Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter BürgerInnen die Welt verändern kann – im Gegenteil: nur so sind jemals Veränderungen passiert. (Margaret Mead, Ethnologin)
Du bist nicht schuld, dass die Welt so ist wie sie ist, du bist nur schuld, wenn sie so bleibt wie sie ist… Es geht im Leben nicht darum zu warten, dass der Sturm vorüber zieht, sondern zu lernen, im Regen zu tanzen Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun. (Molière) Man lebe mit der Freude der Vergangenheit, dem Glück der Gegenwart und dem Lächeln der Zukunft! (Trenthardt) „Worrying does not empty tomorrow of it`s troubles, it empties today of it`s strength.“ Es sind Begegnungen mit Menschen, die das Leben Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Wenn du nicht glücklich bist mit dem was du hast wirst du auch nicht glücklich mit dem was du willst (Farmacia del alma, El Camino) |
Ich danke euch auch allen, dass Ihr diesen Blog angeschaut habt. Gruss Marcel |
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24.5.2015 | Rückreise Vigo nach Zürich
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Laufleistung von Jürg